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Die letzte Meile im Recruiting

vom
18
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07
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2022

Eine logistische Herausforderung

„Die letzte Meile“ ist ein Problem, das insbesondere Logistiker:innen bekannt sein dürfte. Es beschreibt das letzte Wegstück beimTransport einer Ware zur Haustüre der Kund:innen. Diese letzte Meile ist das problematischste Glied in der gesamten Lieferkette. U.a. durch Staus in Städten, fehlende Parkplätze und abwesende Bewohner:innen, kommt es zu Verzögerungen, die kaum vorhersehbar sind, während der gesamte Weg zuvor - auch über Kontinentalgrenzen hinweg – sehr gut plan- und steuerbar ist.

Nun kann man sich natürlich fragen:

Was hat dieses logistische Thema mit Recruiting zu tun?

Zunächst der größte und zeitgleich wichtigste Unterschied: im Recruiting haben wir es mit Menschen zu tun und nicht mit Waren, die zugestellt werden müssen. Und wir dürfen bei allem Druck nicht vergessen, dass jeder Mensch und jede:r Kandidat:in, eine persönliche Geschichte hat, die es zuberücksichtigen gilt.

Die große Gemeinsamkeit: Auf der gefühlten Zielgraden eines Besetzungsverfahrens kommt es immer häufiger zu (un-)vorhersehbaren Verzögerungen und Problemen, die im schlechtesten Fall dazu führen, dass ein:e Kandidat:in die Bewerbung zurückzieht oder sich für ein anderes Angebot entscheidet.

Während die Ware in der Logistik bei Problemen „nur“ verspätet ankommt, steht man im Recruiting im schlimmsten Fall ganz ohne Kandidat:in da und beginnt wieder ganz am Anfang. Zeitlich planen lässt sie die Besetzung einer Position in den meisten Fällen ohnehin nicht.

Wann beginnt die letzte Meile?

Aus Sicht eines Unternehmens – in unserer Branche also zumeist des Krankenhauses - startet die letzte Meile bei jedem/-r Kandidat:inindividuell nach Eingang der Bewerbung. Der Zeitpunkt des Bewerbungseinganges lässt sich dabei natürlich nicht planen, wohl aber die Maßnahmen, die dazuführen sollen. Grundvoraussetzung bei diesem Gedankenspiel ist natürlich, dassder/die Kandidat:in auch für die Position geeignet ist.

Für uns als Personalberatung – und im Rahmen der Direktansprache – beginnt die letzte Meile etwas früher und lässt sich um den Zeitraum zwischen erstem Interesse und dem Entschluss zur Bewerbung einer/-s Kandidatin/-en erweitern.

Inhaltlich fallen in diese Phase der Bewerbungseingang, erste persönliche Telefonate, Terminierung und Durchführung von Vorstellungsgesprächen, Vertragsverhandlungen und am Ende auch die Vertragsunterschrift bis hin zum Anstellungsbeginn. Im Grunde könnte sogar noch die gesamte Probezeit hinzugenommen werden. Während all dieser Zeitpunkte und–räume, kann es zu kritischen Momenten kommen, die eine langfristige Zusammenarbeit auf die Probe stellen.

Welche Hürden birgt die letzte Meile im Recruiting?

Die Arbeit mit unterschiedlichsten Menschen macht unsere Arbeit als Recruiter:innen spannend und abwechslungsreich, erweitert die letzte Meile und den gesamten Besetzungsprozess allerdings um einen weiteren Faktor: die menschliche Entscheidung sowie die Tatsache, dass wir es eben nicht mit einem beliebig ersetzbaren Produkt zu tun haben, sondern mit einem Individuum, welches es so kein zweites Mal gibt. Da ist Unvorhergesehenes nahezu vorprogrammiert. Verlieren wir dadurch eine:n Kandidat:in im Prozess, ist es in der Regel endgültig. Zumindest für eine bestimmte Position.

Urlaubszeit, kurzfristige Krankheit und Koordination zwischen beteiligten Personen führen unweigerlich zu Verzögerungen. Diese sind nicht langfristig planbar, weil der Zeitpunkt einer Bewerbung ungewiss ist. Hinzukommen Konkurrenzangebote, Missverständnisse, falsche Vorstellungen oder Versprechungen, die am Ende nicht eingehalten werden können. Und dann gibt es Faktoren, gegen die man am Ende machtlos ist: Private Gründe der Kandidat:innen. Hier haben wir als Personalberater schon vieles erlebt: von Bekanntwerden der Schwangerschaft am Morgen der Vertragsunterschrift, über kurzfristige Vetos der Lebenspartner oder spontane Hauskäufe in anderen (Bundes)-Ländern, weil einem der Vermögensberater dazu geraten hat, bis hin zum Bekanntwerden schwerwiegender Krankheiten, könnten die Gründe nicht variabler sein.

Ist die letzte Meile überhaupt optimierbar?

Während der Weg bis zur letzten Meile in der Logistik recht gut vorhersagbar ist, so ist er es im Recruiting nur selten. Denn wann die letzte Meile beginnt, weiß im Vorfeld niemand so genau. Je mehr Personen im Besetzungsprozess eine Rolle spielen, umso komplizierter wird die Koordination.

Wichtig ist: Seien Sie zeitlich und gedanklich flexibel, geben zeitnahe Rückmeldungen und gehen auf die Bedürfnisse der/-s Kandidatin/-en ein. Berücksichtigen Sie, dass Ihr Gegenüber ggf. eine hohe Dienstbelastung hat und tagsüber nicht immer die Zeit für ein persönliches Kennenlernen findet. Ermöglichen Sie auch sehr kurzfristige Bewerbungsgespräche. Am Ende kostet Sie ein neuer Bewerbungsprozess mehr Zeit, bei allem Verständnis für dieses knappe Gut. In Zeiten von Microsoft Teams und Co., ist es nicht mehr nötig, dass alle Beteiligten für ein Gespräch vor Ort anwesend sind. Ein unverbindlicher Kontakt zum direkten Vorgesetzten sollte grundsätzlich möglich sein.

Spielen Sie selbst mit offenen Karten und geben dem Gegenüber das Gefühl, es Ihnen gleich tun zu können. So verhindern Sie Missverständnisse und vermeidbare Unzufriedenheit.

Grundsätzlich gilt: Erstellen Sie ein detailliertes Stellen-und Anforderungsprofil und schaffen interne Unklarheiten aus der Welt. Besprechen Sie gemeinsam wie die internen Prozesse im Rahmen eines Besetzungsverfahrens ablaufen sollen, damit Sie auf unplanbare Umstände bestmöglich reagieren können.

Die letzte Meile im Recruiting wird immer kritische Momente hervorrufen, doch kann durch eine strukturierte und flexible Vorgehensweise die Wahrscheinlichkeit für den erfolgreichen und schnelleren Abschluss eines Besetzungsverfahrens deutlich erhöht werden.

Die Inspiraktion für diesen Artikel gab uns der Vortrag von Jörg Gottschalk beim VKD-Management-Tagung 2022 in Iserlohn zum Thema: Agilität im Krankenhaus

Panoramabild, wie ein Mensch durch ein Gebirge läuft bei bewölktem Himmel und Sonnenuntergang.